Für viele Grossunternehmen gehört eine CO₂-Strategie mittlerweile zum guten Ton. Neben Reduktionszielen im eigenen Haus gehören dazu oft auch, dass die Unternehmen Einfluss auf die Zulieferer nehmen und dass sie ihren CO₂-Ausstoss kompensieren. Coop Schweiz, South Pole Carbon und der WWF beschreiten neue Wege, um diese Aspekte zusammenzubringen und CO₂-Kompensation durch Projekte innerhalb der eigenen Lieferkette zu ermöglichen. Die neue Methode heisst «Insetting».
Die Idee des «Insetting» erkläre ich am besten am Beispiel der Schnittblumen. Schnittblumen sind nicht gerade dafür bekannt, ein besonders umweltfreundliches Produkt zu sein. Doch gerade zum Valentinstag wollen viele Menschen nicht auf frisch erblühte rote Rosen verzichten. Schnittblumen kommen im Winter entweder aus geheizten Treibhäusern oder per Flugzeug aus den Tropen nach Europa. Wegen des gewaltigen Energiebedarfs beim Heizen europäischer Treibhäuser ist der Umweltschaden, der beim Import der Blumen aus den Tropen entsteht, das eindeutig kleinere Übel.
Coop bezieht Rosen unter anderem von der «Oserian Flower Farm» in Kenia. Oserian ist in vieler Hinsicht eine sehr fortschrittliche Blumenfarm: Fairtrade™-zertifiziert, mit eigener geothermaler Energieerzeugung und einem ebenfalls von Coop unterstützten Projekt zur umweltverträglichen Schädlingsbekämpfung.
Klimazertifikate produzieren und gleichzeitig Geschäftsbeziehungen stärken
Damit Coop seine CO₂-Kompensationsziele erreichen kann, setzen der WWF und South Pole Carbon nun ein weiteres Projekt mit Oserian um: Die Familien der Arbeiter und die umliegende Bevölkerung erhalten subventionierten Zugang zu Kochöfen, die 50 Prozent energie- oder brennstoffeffizienter sind (siehe dazu auch mein Blogbeitrag «Die Geschichten vom Wald und von Öfen»). Das Projekt reduziert zwar nicht den CO₂-Fussabdruck der Rosen selbst, erzeugt aber durch die Reduktion von Feuerholz-Emissionen Klimazertifikate, die in direktem Zusammenhang mit dem Blumenproduzenten stehen.
Finanziert durch den Coop Fond für Nachhaltigkeit verbindet dieses Projekt das Engagement in der Lieferkette mit der CO₂-Kompensation. Darüber hinaus wird die Maasai-Bevölkerung der Region, insbesondere die Frauen, mit moderner Technologie unterstützt. Coop selbst erhält nicht nur die Klimazertifikate, sondern stärkt auch seine Geschäftsbeziehungen zum Lieferanten – eine echte Win-Win-Situation.
CO₂-Kompensation mit der Lieferkette
South Pole Carbon bietet das hier erprobte Konzept der «CO₂-Kompensation durch Projekte in der eigenen Lieferkette» nun auch für andere Kunden und Produkte an. In jeder Situation gibt es andere Projektmöglichkeiten: Seien es ein Aufforstungsprojekt mit Zuckerfarmern in Paraguay, ein Kompostprojekt an einer Palmölmühle in Indonesien oder die besagten Öfen für Kleinbauern in Kenia. Der direkte Bezug des Unternehmens zum Projekt macht diesen Ansatz für viele Kunden attraktiver als die klassische Kompensation.
Video «Efficient Cooking Stoves Kenya»
Video «Insetting: Carbon Neutrality from the Kenyan Flower Supply Chain»
Zum AutorTim Reutemann (früher Schloendorn) ist Doktorand in Umweltökonomie und -politik an der ETH Zürich. In seiner aktuellen Forschung erarbeitet er Vorschläge zur Verbesserung und Harmonisierung der Berechnungsgrundlagen von CO₂-Einsparungen aus verschiedenen Projekttypen. Durch seine Teilzeitanstellung bei South Pole Carbon hat Tim Reutemann zudem engen Kontakt zur Praxis. Persönliches Zitat und Biografie
Hinweis der RedaktionWir haben die Kritik von Mathias Plüss in seinem Blog «Das Magazin» aufgenommen. Entsprechend haben wir die Autorenzeile von Tim Reutemann (früher: Schloendorn) ergänzt mit der Information, dass Tim momentan nebst seiner Doktorarbeit eine Teilzeitanstellung bei South Pole Carbon inne hat. Dies war vorher nur mit einem Klick auf «Persönliches Zitat und Biografie» zu erfahren.